Im schönsten Ambiente das Gruseln genießen – Zwei Abende mit Stürmen, Tyrannen und einigen Toten - Besonders Kai Kurgan begeisterte mit seiner Stimmgewalt
NORDEN/ISH – Der eine wirft mit Glasaugen statt mit Kugeln, die andere bringt ihr Kind im Schweintrog zur Welt. Stürme brausen und reißen den Deich auseinander, Männer werden zu Mördern, um sich gegen die Fluten zu schützen. Und dann gibt es da noch Anwälte, die tot im Ruderboot liegen und im Schlossteich herumschippern. Das alles in dunklen Räumen an einsamen Orten - ein perfektes Ambiente bot die Kulturscheune in Lütetsburg an diesem Wochenende für zwei literarische Abende. Entsprechend gut war die Resonanz: Die Krimilounge am Sonnabend war ausverkauft.
So durften Lübbert Haneborger und Silke Arends gemeinsam mit ihrem Vorbereitungsteam hoch zufrieden sein mit der Premiere der "Lit. Lütetsburg". Am Freitag hatten gut 40 Gäste zusammen mit Autorin Sylvia Lott noch frieren müssen, es war doch arg kalt für alle, die mehr als zwei Stunden saßen, um dem Auszug aus dem Debütroman Lotts "Die Rose von Darjeeling" entspannt zuzuhören.
Voll auf ihre Kosten kamen die rund 100 Besucher auf jeden Fall am zweiten Abend des kleinen Festivals. Hereinkommen durch das dunkle Tor, nichts als Kerzenlicht empfängt die Gäste, die gekommen sind, um sich bei Wein, Käsehäppchen, Baguette und Salzstangen ein bisschen zu gruseln. Die Atmosphäre allein schafft Stimmung: Teelicht in einfachen Gläsern, große Kerzenhalter, die nur bedingt Licht spenden. Dunkelheit der feinen Art. Vorn das gemütliche Sofa für die drei Vorleser, Haneborger, Arends und Kai Kurgan. Die beiden Organisatoren halten sich zurück, vor allem Haneborger liest nur kurz. Sein erstes Opfer stirbt ausgerechnet bei der Schlossparkserenade des Stadtorchesters. Das ist hier quasi vor der Haustür... Aber Haneborger lässt auch mal in wenigen Worten zig Leute sterben. Alle Besucher wissen jetzt: Vorsicht vor Herbstzeitlosen...
Oder doch besser vor fliegenden Glasaugen? Keine Frage - der Star des zweiten Abends war Kai Kurgan. Seine Texte sind so gewaltig wie seine Stimme. Hatte Haneborger ihn nicht als "Stimme des Rheiderlandes" angekündigt? Gut, jetzt weiß jeder, wie es dort klingt: tief, dunkel, aber gern auch laut und durchdringend, mal warm, oft furchteinflössend - so sind zumindest die Geschichten Kurgans. Gut, auch durchaus zum Schmunzeln, wenn man als Zuhörer zum Beispiel von dem Rheiderländer erährt, der zweimal im Jahr nach Ditzumerverlaat zurückkehrt. Einmal zu Weihnachten mit Ehefrau Karin, einmal zu Ostern, weil er ja auch mal Spaß haben will... Spaß der besonderen Art beim traditionellen Nötenscheeten. Wer in Lütetsburg dabei war, weiß, dass es beim letzten Besuch in Ditzumerverlaat ein bisschen eklig wird mit Armen in Häckslern und feuerroten Fleischfurchten... Nicht minder (schön) eklig ist Kirgan in seinem zweiten Text, als er vom nicht enden wollenden Sturm am Deich vorliest. Da meint man glatt, das Wasser käme sogleich mit voller Wucht in die Kulturscheune und der Sturm reiße das Dach ab. Wieso flackern die Kerzen unbeeindruckt von so viel Stimmgewalt neben Kurgan einfach weiter? Schade, dass man mit den Geschichten und Büchern nicht die Stimme dieses Mannes mitkaufen kann...
Aber auch mit leiseren Tönen kann man Furcht und Gruseln säen. Das bewies Silke Arends mit einem Auszug ihrer Geschichte über Prediger Remmer Janßen kurz vor Beginn des Ersten Weltkrieges, Mägde, die Selbstmord begehen nach der Geburt ihres Kindes, Bauern, die nur in der Öffentlichkeit fromm leben, auf dem eigenen Hof jedoch ihre Mitmenschen in Furcht und Schrecken versetzen.
Aber: Gruseln kann wunderschön sein in traumhafter Umgebung und mit passender Begleitung. Und die lieferte Berner Britz mit gar nicht gruseligen, sondern lockeren Pianoklängen.
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